Gastkommentar: Schwächen im Tourismusdenken

Thomas Reisenzahn von Prodinger sieht zu wenig Erlös für touristische Betriebe.

Eine Branche am Abgrund

Im „Hotel&Touristik“-Magazin von Juli/August 2020 beschreibt Thomas Reisenzahn von der Prodinger Tourismusberatung, wie rasch eine Branche am Abgrund stehen kann. Ein unerwarteter, brutaler Dämpfer wirkt sich umgehend auf alle Wertschöpfungsbereiche aus. Der Großteil davon ist auf steigende Zahlen ausgerichtet.

Beliebiges Buhlen um den Inlandsgast

Die jüngste, international noch nicht überstandene Krise hat ein Buhlen um den Inlandsgast ausgelöst. Sämtliche Ebenen im Tourismusmarketing, von der ÖW über Länder und Destinationen bis hin zu den Verbänden und Betrieben, haben ein Wettrennen um die begehrten Gäste gestartet. Das Werbe-Feuerwerk war zu- letzt nicht zu übersehen, aber leider auch ziemlich unkoordiniert. Zwanghaft wurden weitgehend austauschbare Sujets und Slogans vermittelt, einzig bei den Organisationslogos kam es zu einer Abgrenzung.

Retro-Föderalismus statt sinnvolle Ansprache

Der werbliche Föderalismus hat uns wieder einmal die Schwächen in unserem Tourismusdenken deutlich gemacht. Wo doch alle über Grenzöffnungen begeistert waren, wurden die Grenzen in der Inlandswerbung, trotz austauschbarer Angebote, streng eingehalten. Das Abklatschen am Berg, „es geht bergauf“, die Auferstehung einer inhaltslosen Retro-Sommerfrische, Geografie-Stunden mit dem „Wilden Westen“ und vom „Süden, der so nah ist“ – all dies grenzt schon oft an den Hilfeschrei einer Daseinsberechtigung. Dass viele Marketing-Ebenen im Inland nicht benötigt werden, sollte eigentlich schon längst bekannt sein. Bundesländer be- dürfen kaum der Werbung, sinnvoll erscheint nur eine betriebliche oder regionale Ansprache.

Digitale Prozesse, neue Geschäftsmodelle

Eine große Herausforderung ist, dass sich digitale Prozesse nur selten flexibel und einfach auf das traditionelle Geschäft und die bestehenden Strukturen übertragen lassen. Entsprechend hoch ist der Druck für LTOs und Destinationen, ihre klassischen Geschäftsmodelle auch kritisch zu hinterfragen und anzupassen. Eines hat der Shutdown deutlich gezeigt: Der Onlineverkauf hat insbesondere im Handel neue Höhen erreicht. Kann man daraus schließen, dass Buchungsstrecke und Wertschöpfungskette funktionierten? Nur bedingt. Online buchbar waren alle Akteure nur sehr eingeschränkt. Es fiel auf, dass viele Systeme nicht mehr den E-Commerce-Standards entsprechen oder der Gast gar über  die  teuerste Schiene, jene der Online-Travel-Agencies (OTAs) geleitet wurde. Es wurde in den letz- ten Jahren trotz europaweit groß angelegter Direktbuchungskampagnen verabsäumt, das letzte Stück des Weges, die direkte Buchung, effizient abzubilden und durchzusetzen.

Für Betriebe bleibt zu wenig über

Die Vertriebskanäle werden sich indes weiterentwickeln und die Provisionsaufwendungen weiter steigen. Die Beherbergungsbranche, die in der Dienstleistungskette  das höchste Risiko trägt, ist mit einer wachsenden Marktmacht der globalen Online-Reservierungsplattformen konfrontiert. Auf der anderen Seite funktionieren die Buchungsmöglichkeiten bei LTOs und Destinationen sehr schlecht und es bleibt – zum wiederholten Male gesagt – unter dem Strich für die Betriebe zu wenig über.

Über den Autor

Thomas Reisenzahn ist akadem. geprüfter Tourismuskaufmann, Betriebsökonom, durchlief in seiner Laufbahn alle Bereiche des Hotelgewerbes. Er war außerdem Generalsekretär der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) und ist derzeit Geschäftsführer und Gesellschafter der Prodinger Beratungsgruppe.

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